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Coaching, Sportpsychologie, Meinung...

Coaching #10: Erregungsniveau und sportliche Leistung

Das Erregungsniveau "meines" Teams wahrzunehmen und zu managen ist meine vielleicht wichtigste Aufgabe als Sportlicher Leiter. Und eine der Herausforderndsten….

In der Sportpsychologie wurde viele Jahre lang versucht, den Zusammenhang zwischen Leistung und Erregungsniveau mit der Theorie der umgekehrten U-Funktion (Yerkes & Dodoson, 1908) zu beschreiben. Dieses Modell besagt, dass eine Erhöhung des Erregungsniveaus bis zu einem gewissen Punkt eine Verbesserung des Leistungsvermögens hervorruft. Eine weitere Steigerung des Arousal-Levels über diesen Punkt hinaus sollte gemäß des Modells zu einer progressiven Abnahme der Leistung führen (Tsorbatzoudis & Vassilios, 1998). Im Laufe der Zeit geriet die Theorie der umgekehrten U-Form mehr und mehr in die Kritik, da sie zum einen Angst lediglich als eindimensionales Konstrukt betrachtet und zum anderen den Zusammenhang zwischen Angst und sportlicher Performance zu stark vereinfacht und individuelle Unterschiede nicht genügend berücksichtigt.

Explosion statt "Feuer Frei": Lektionen aus einem gescheiterten Racebriefing

Zu den “ individuellen Unterschieden” kann ich übrigens eine Anekdote, quasi einen empirischen Befund zum Besten geben: Es war einmal ein Sprintklassiker im Frühjahr meiner ersten WorldTour-Saison, irgendwo im südlichen Europa. Wir hatten einen neuen schnellen Mann verpflichtet. Eine echte Rakete. Er hatte schon ein paar schöne Dinger gewonnen. Super entspannter Typ. Fast zu locker für meinen Geschmack… 

Darum hab ich ein lautes und emotionales Racebriefing vorbereitet. Volles Programm. Geendet hab ich mit einem Geschwafel welch Privileg es sei Radprofi zu sein, das Hobby zum Beruf gemacht zu haben UND mit “Feuer Frei” einem recht harten Rammstein Song aus dem Soundtrack von xXx - Triple X. Weil mein Klient ja Autonarr war und so…. 

Am ersten Anstieg - ich weiß nicht mehr genau obs eine Brücke über eine Autobahn oder über eine Zugstrecke war - dann panischer Funkverkehr: “Christian kannst du nach vor kommen. Ich bekomm keine Luft…” Ein paar Kilometer später der nächste Funkspruch. Diesmal von Radio-Tour: “Fahrer XY von BORA hansgrohe in letzter Position des Feldes” kurz darauf “Fahrer XY von BORA hansgrohe verliert den Anschluss ans Hauptfeld” 

In meiner Rolle als couragierter Feldherr und Stratege, der nie einen Millimeter von einer getroffenen Entscheidung abweicht, hab ich sogar noch Cesare Benedetti auf meinen Sprinter warten lassen. Umsonst! Doppel Null statt Triple X… 

Ich habe nie herausgefunden, ob der Pollenflug an diesem verhängnisvollen Tag im Frühling 2017 besonders stark war, oder ob es zu diesem plötzlichen Leistungseinbruch tatsächlich durch “hohe kognitive Angst”, wie sie Hardy (1990) in seiner Katastrophentheorie beschreibt gekommen ist. 

Emotionen und Leistung: Warum mentale Wettkampfvorbereitung individuell sein muss

Wie auch immer für mich hat dieses Erlebnis gereicht, um mir nicht nur die Arbeit der bereits erwähnten Herren Yerkes, Dodson und Hardy leicht zu merken, sondern besonders stets auch das Werk von Hanin (1994) in meine Arbeit mit einzubeziehen. 

Dieser entwickelte nämlich das Modell der „Individual Zones of Optimal Functioning“ (IZOF), das die Forderung nach der Beachtung der weiter oben erwähnten individuellen Unterschiede aufgreift. Darin postuliert Hanin, dass eine optimale Leistung wahrscheinlich auftritt, wenn sich der Athlet in einer für ihn individuell optimalen Zone der Angst befindet… 

(Das IZOF-Modell kommt hauptsächlich zum Einsatz, um verschiedene Emotionen und Stimmungszustände, aber auch Angst sowie deren positive und negative Auswirkungen vor dem Wettkampf zu testen.)

Übrigens mit meinem “Feuer Frei” bin ich etwas später auch noch zum Stich gekommen: Pascal Ackermann und seine Sprinter Gang dürfte der Rammstein Song nämlich genau in die richtige Zone gebracht haben. Denn “Feuer Frei” war fester Bestandteil jedes Racebriefings mit dem "Bomber" und ist für mich eine Art Soundtrack für die gute Zusammenarbeit mit Acki geblieben… Good memories!

 

copyright: Christian Pömer Praxis für Psychologische Beratung Führungskräfte-Coaching & Sport Mentaltraining in Linz und Bad Ischl/Oberösterreich

 

Coach Christian Pömer bei der Teambesprechung des Red Bull - BORA - hansgrohe teams